#Berlin forscht mit
Fachlicher Hintergrund

#Berlin forscht mit – Das Research Forum Berlin Citizens versteht sich als ein experimentelles, transdisziplinäres Projekt. Es folgt dem wissenschaftlichen Grundverständnis von Transdisziplinarität, wie es beispielsweise bei Bergmann und Jahn (2017) formuliert wird. Das Projekt hat den Anspruch, die Vielfältigkeit des transdisziplinären Forschens durch innovative Prozesse und Methoden zu ergänzen. Das Research Forum Berlin Citizens versteht sich in diesem Sinne als ein Experimentierraum, um neue Ansätze zu erproben. Die im Projekt gewonnenen methodischen, prozessualen und operativen Erkenntnisse werden für die wissenschaftlichen Communitys aufbereitet und mit ihnen diskutiert.

Experimentierraum für Neues

Das Research Forum Berlin Citizens geht neue Wege. Anders als in idealtypischen transdisziplinären Prozessen werden nicht nur Praxis-Expert*innen in den Forschungsprozess eingebunden, wie zum Beispiel bei Defila und Di Guilio (2018) beschrieben. Das Research Forum Berlin Citizens hat sich zur Aufgabe gemacht, Berliner*innen mit ihren spezifischen Alltags-Expertisen und Alltags-Perspektiven in den Forschungsprozess einzubeziehen. Grunwald et al. (2020) nennen diese neuartigen Ansätze „transdisziplinäres Forschen mit Bürgerforschung“.
Im Research Forum Berlin Citizens wird dies zunächst durch eine, im Vergleich zu idealtypischen, transdisziplinären Prozessen, vorangestellten Phase der Co-Exploration umgesetzt. Hier werden Themen und Fragen von Berliner*innen co-exploriert. Jeder und jede kann mitmachen und seine oder ihre spezifischen Alltagserfahrungen einbringen. Es findet keine Vor-Selektion von Akteuren statt, wie in idealtypischen, transdisziplinären Prozessen. Damit ändert sich der Möglichkeitsraum an zu integrierendem Wissen. Andere erkenntnistheoretische Mechanismen kommen zum Tragen, wie Pettibone et al. (2020) für Citizen Science beschrieben haben. Auch in den der Co-Exploration nachgestellten Phasen Co-Design, Co-Produktion von Wissen und Re-Integration von Wissen (Bergmann und Jahn, 2017) werden Berliner*innen beteiligt werden.

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Motivation

Ein Grundgedanke transdisziplinärer Forschung ist es, komplexe, gesellschaftliche Probleme, sogenannte „real-world problems“ (Jahn et al. 2012) zu adressieren und zu ihrer Lösung beizutragen. Dafür werden möglichst verschiedene Wissensressourcen aus den Wissenschaften und der gesellschaftlichen Praxis, wie bespielweise aus Vereinen, Unternehmen oder der Verwaltung, einbezogen. Zusätzlich Alltagswissen aus verschiedenen Lebensrealitäten in den Forschungsprozess zu integrieren, bedeutet, die Wissensressourcen zu erweitern. Zudem ist damit der normative Anspruch verbunden, noch bessere Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Sie insbesondere besser an alltagsweltliche Realitäten anschlussfähig zu machen.

Die Berlin University Alliance hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Knowledge Exchange zwischen den Wissenschaften und der Gesellschaft zu stärken, neue Methoden und Ansätze zu erproben, neue Netzwerke zu etablieren und somit zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen. Das Research Forum Berlin Citizens erarbeitet in diesem Zusammenhang neue Praktiken und Methoden für den transdisziplinären Forschungsmodus und trägt zur Vernetzung der Wissenschaften mit Berliner*innen zu Berlin-spezifischen Themen bei.

Methoden

Das Research Forum Berlin Citizens arbeitet methodengeleitet. Das bedeutet, dass die Konzepte und Formate, die für die Arbeit im Research Forum Berlin Citizens entwickelt werden, auf bereits etablierten Methoden basieren und an die speziellen Zwecke angepasst sind. Dabei greift das Research Forum auf Methoden aus der transdisziplinären Forschung zurück, wie sie beispielsweise in der Toolbox vom td-net ausgeführt werden. Darüber hinaus bedient sich das Research Forum aber auch aus methodischen Ansätzen von Citizen Science, der Bürger*innenbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation. Bisher wurden adaptiere Methoden des Design Thinking und die Theatertechnik des Clowning genutzt. Das Research Forum Berlin Citizens verfolgt den Anspruch, die erprobten neuen oder angepassten Methoden mit den wissenschaftlichen Communitys zu reflektieren und zur Verfügung zu stellen.

Prinzipien

Das Research Forum Berlin Citizens ist ein Projekt, das sich aus Erfahrungen, Methoden und Ansätzen aus den wissenschaftlichen Arbeitsfeldern Transdisziplinarität und Citizen Science sowie aus dem Politikfeld der Bürger*innen-Beteiligung speist. Für diese einzelnen Arbeitsfelder existieren jeweils Prinzipien und Grundsätze (Allianz Vielfältige Demokratie, 2017; ECSA, 2015; Network for Transdisciplinary Research). Darauf basierend und an die konkreten Ziele und Rahmenbedingungen des Research Forum Berlin Citizens angepasst, wurden sieben Prinzipien entwickelt. Im experimentellen Arbeiten gelten sie als Richtschnur für das Handeln.

Prinzipien des Research Forums Berlin Citizens

  • Das gemeinsame Forschen von Wissenschaftler*innen und Bürger*innen im Research Forum Berlin Citizens trägt dazu bei, Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen im Kleinen wie im Großen zu erarbeiten. Das Research Forum Berlin Citizens dient dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erkenntnisgewinn.
  • Das gemeinsame Forschen von Wissenschaftler*innen und Bürger*innen im Research Forum Berlin Citizens beginnt mit der Verständigung über gemeinsame Forschungsbedarfe. Wissenschaftler*innen und Bürger*innen werden in allen Phasen des Forschungsprozesses eingebunden.
  • Das Research Forum Berlin Citizens involviert eine Vielzahl von Perspektiven und Akteursgruppen in die gemeinsame Forschungsarbeit. Durch das Research Forum Berlin Citizens werden vor allem Bürger*innen angesprochen, die mit Forschung und Wissenschaftskommunikation bisher noch nicht erreicht werden.
  • Das gemeinsame Forschen im Research Forum basiert auf wissenschaftlichem Wissen sowie auf Alltags- und Praxiserfahrungen der Bürger*innen. Dabei wird eine Ausgewogenheit in der Berücksichtigung von verschiedenen Wissensgrundlagen angestrebt.
  • Das gemeinsame Forschen ist ein lernender Prozess. Das Research Forum Berlin Citizens stellt einen Experimentierraum, bei dem alle Beteiligten individuelle und gemeinsame (soziale) Lernprozesse haben und diese reflektieren.
  • Das gemeinsame Forschen wird mit einer höchstmöglichen Transparenz und Offenheit für Beteiligte und Außenstehende durchgeführt. Dies betrifft den Prozess, Entscheidungen, aber auch die Verfügbarkeit und (Nach-) Nutzbarkeit von Daten und Ergebnissen (open science).
  • Das gemeinsame Forschen beachtet wissenschaftliche und ethische Regeln sowie gesetzliche Grundlagen, zum Beispiel das Recht am geistigen Eigentum, Vertraulichkeit, Datenschutz, eine gute wissenschaftliche Praxis oder gemeinsam von Wissenschaftler*innen und Bürger*innen vereinbarte Verhaltens- und Verfahrensregeln.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Allianz Vielfältige Demokratie (2017): Qualität von Bürgerbeteiligung. Zehn Grundsätze mit Leitfragen und Empfehlungen. Hrsg. Bertelsmann Stiftung.
Bergmann, Matthias und Jahn, Thomas (2017): A Model for the Transdisciplinary Research Process. In: GAIA 26 (4), 304.
Defilia, Rico und Di Giulio, Antoinetta (2018): Partizipative Wissenserzeugung und Wissenschaftlichkeit – ein methodologischer Beitrag. In: Defila, Rico und Di Giulio, Antoinetta (Hrsg.): Transdiszipinär und transformativ forschen.
ECSA (European Citizen Science Association) (2015): Ten Principles of Citizen Science. Berlin. https://ecsa.citizen-science.net/wpcontent/uploads/2021/ECSA_Ten_principles_of_CS_German.pdf (Zugriff 9.3.2022)
Grunwald, Achim; Schäfer, Martina und Bergmann, Matthias (2020): Neue Formate transdisziplinärer Forschung: Ausdifferenzierte Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis. In: GAIA 29 (2), 106 – 114.
Jahn, Thomas; Bergmann, Matthias und Keil, Florian (2012): Transdisciplinarity. Between mainstreaming and marginalization. In: Ecological Economics 79, 1 – 10.
Network for Transdisciplinary Research (td-net): Ziele und Prinzipien. https://transdisciplinarity.ch/de/transdisziplinaritat/was-ist-td/ziele-und-prinzipien (Zugriff 9.3.2022)
Pettibone, Lisa; Blättel-Mink, Birgit; Balász, Bálint; Giulio, Antoinetta Di; Göbel, Claudia; Heubach, Katja; Hummel, Diana; Lundershausen, Johannes; Lux, Alexandra; Potthast, Thomas; Vohland, Katrin; Wyborn, Carina (2018): Transdisciplinary Sustainability Research and Citizen Science: Options for Mutual Learning. In: GAIA 27 (2), 222 – 225.

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